3-D-Druck unterstützt den Kampf gegen Covid-19

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Prof. Dr. Kai Hoberg corona crisis analyses & comments

Covid-19 verbreitet sich weltweit zunehmend – dementsprechend hat die Nachfrage nach Artikeln des medizinischen Grundbedarfs eine bisher nicht gekannte Dimension erreicht. Aufgrund der Unterbrechungen bei Produktionsprozessen und Lieferketten sind die Märkte für Schutzkleidung wie etwa Mundschutzmasken und für medizinisches Equipment wie beispielsweise Beatmungsgeräte leergefegt. In dieser schwierigen Lage wenden sich immer mehr Unternehmen dem 3-D-Druck zu, einem Verfahren, das auch als additive Fertigung bekannt ist. Wir haben das Ganze analysiert und drei wesentliche Handlungsfelder identifiziert, in denen 3-D-Druck den Kampf gegen die Pandemie unterstützen kann.

Analyse von Dr. Jakob Heinen und Prof. Dr. Kai Hoberg

In den letzten Jahren hat die Nutzung von 3-D-Druck zwar deutlich zugenommen, die meisten Anwendungen konzentrieren sich aber auf die Fertigung von Prototypen, leichten Komponenten für den Flugzeugbau und individuell angepassten Medizinprodukten. Da große Stärken des 3-D-Drucks in den Bereichen Produktionsflexibilität (es müssen keine Werkzeuge bereitgestellt werden), lokale Produktion und sofortige Verfügbarkeit von Teilen liegen, kommen jetzt zahlreiche kreative Lösungen zum Einsatz, die Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen mit genau den Artikeln unterstützen, die aktuell besonders gebraucht werden. So sehen wir zurzeit viele Anwendungen, die mittels 3-D-Druck wichtige Artikel wie etwa Gesichtsmasken für die Beatmung, Ventile oder Abstrichstäbchen für Test-Kits herstellen. Hier ist eine Vielzahl kleiner und großer Initiativen angelaufen, sowohl bei Start-ups wie Fab Labs als auch bei multinationalen Konzernen wie Mercedes Benz, Ford und Siemens.

Die verfügbare Hardware effektiv einsetzen

Man geht davon aus, dass weltweit über 100.000 hochwertige 3-D-Drucker, die für die professionelle Nutzung geeignet sind, installiert wurden. Um nun mittels Crowdsourcing die Drucker zu nutzen, die in der Nähe der Orte verfügbar sind, an denen ihre Dienste besonders dringend gebraucht werden, muss eine direkte Zugangsmöglichkeit zu diesen Kapazitäten gegeben sein. Der 3-D-Druckservice-Dienstleister Prusa Research beispielsweise bringt seine verfügbaren Kapazitäten bereits effektiv ein und konnte so schon über 12.000 Mundschutzmasken produzieren. Ganz ähnlich bei HP und Carbon: Beide Unternehmen stellen 3-D-Druck-Kapazitäten für all die Krankenhäuser zur Verfügung, die dringenden Bedarf anmelden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR rüstet seine 3-D-Drucker um und hat erfolgreich Tests abgeschlossen, um auf Basis von Open-Source-Vorlagen Schutzausrüstung aus Materialien auszudrucken, die bereits für die medizinische Verwendung zugelassen wurden. Mittels 3-D-Druck hergestellte Teile mögen nicht immer so langlebig und zuverlässig sein wie Originalteile, aber mit ihrer Hilfe kann man Engpässe tage- oder auch wochenlang überbrücken.

Unterstützung leisten bei der Entwicklung digitaler Designs

Die Tatsache, dass 3-D-Druck so flexibel ist, gilt als einer der größten Vorteile dieser Technologie. Allerdings hat auch 3-D-Druck nur begrenztes Potenzial, wenn die von Ingenieuren und Designern erstellten digitalen Designs und geprüften Druckspezifikationen fehlen. Deswegen hat sich etwa die italienische Technologiefirma Isinnova an den Sportartikelhersteller Decathlon gewandt, um CAD-Zeichnungen einer Schnorchelmaske zu erhalten, und daraus voll funktionsfähige Gesichtsmasken für Beatmungsgeräte gemacht. Siemens nutzt sein etabliertes Netzwerk für additive Fertigung und lässt seine internen Experten im Bereich Digitales Design und 3-D-Druck-Engineering Designanfragen bearbeiten, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden. Und Autodesk, der führende Anbieter von Design-Software, erlaubt zurzeit den kostenlosen Zugriff auf Produkte für die cloud-basierte Zusammenarbeit im Bereich 3-D-Druck. Durch den Zugang zu dieser Software kann die 3-D-Druck-Community gemeinsam Designs entwickeln und ihre Designs austauschen – ein echter Gewinn.         

Den Designaustausch und die Produktionskapazitäten orchestrieren

Während die Pandemie sich weltweit ausbreitet, sehen wir, wie in unterschiedlichen Ländern und Regionen ganz ähnliche Bedürfnisse entstehen. Daher ist es von zentraler Bedeutung, eine Plattform zur Verfügung zu stellen, auf der die verschiedenen Akteure ihre Designs austauschen können – und zwar orchestriert, um so das Potenzial der vielen Ideen möglichst effektiv zu nutzen. Gleichzeitig sollten alle Anbieter von Designdateien, egal ob Privatperson oder professioneller Anbieter, ihre Designs als Open-Source-Version zur Verfügung stellen, sodass sie entsprechend der speziellen Anforderungen einzelner Krankenhäuser und Mediziner angepasst werden können. Unternehmen, denen die IP-Rechte für wesentliche Komponenten gehören, müssen jetzt eventuell Entscheidungen treffen, die letztlich Leben retten können. Außerdem muss man die Online-Plattformen nutzen, um mit Blick auf verfügbare Druckertypen und Druckerkapazitäten, Produktionsmaterialien und Verwendungszwecke Transparenz zu schaffen.

Ausblick

Schon jetzt sehen wir viele Beispiele, bei denen Unternehmen und Branchenorganisationen großartige 3-D-Druck-Initiativen auf den Weg gebracht haben. Der 3-D-Drucker-Hersteller Ultimaker beispielsweise hat eine Weltkarte erstellt, auf der alle Firmen verzeichnet sind, die Ultimaker 3-D-Drucker verwenden. Das internationale 3-D-Druck-Netzwerk Mobility Goes Additive steht im direkten Kontakt zur Europäischen Kommission, um das Engagement von über 250 Unternehmen zu koordinieren, die technologischen Support und Service-Support anbieten. Das Start-up 3YOURMIND hat eine Produktions- und Distributionsplattform entwickelt, auf der Bestellungen verwaltet werden und eine digitale Bestandsliste relevanter Artikel geführt wird.  

Wir sind zuversichtlich, dass aus all diesen Initiativen noch Größeres erwachsen kann, wenn wir eine vereinte globale Initiative daraus machen, indem wir

  • für einen transparenten Austausch der Anfragen, verfügbaren Designs und 3-D-Druck-Kapazitäten sorgen,
  • die 3-D-Designs und Druckspezifikationen in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern prüfen und zertifizieren, also gemeinsam mit Gesundheitsbehörden, medizinischen Anwendern, Druckerherstellern, Materiallieferanten etc.
  • uns um die Problematik noch nicht standardisierter Vereinbarungen für den Umgang mit dem Recht am geistigen Eigentum kümmern.

Dies ist eine einzigartige Chance für die 3-D-Druck-Community, die Stärken der flexiblen Herstellung, das Innovationspotenzial kreativer Macher und die Geschwindigkeit, mit der Ideen und Designs bei dieser Fertigungsform zu physischen Produkten werden, zu demonstrieren.

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Dieser Beitrag ist Teil unserer Coronaserie mit Analysen und Kommentaren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der KLU. Sie beleuchten, wie sich die aktuelle Coronakrise unter anderem auf unser tägliches Leben, unsere Arbeitsweise und die Wirtschaft auswirkt. Lesen Sie weitere Analysen und Kommentare.