Bewusst anders – Abschied vom Gründungsdekan Prof. Albers

Prof. Dr. Dr. h.c. Sönke Albers stands at bar table and smiles to camera

Prof. Dr. Dr. h.c. Sönke Albers beendet mit 74 Jahren seine akademische Laufbahn und seine Zeit an der KLU, die er als erster Professor und erster Dean of Research entscheidend mit aufgebaut hat. Im Interview erzählt er vom Startup-Esprit der Anfangszeit sowie von entscheidenden Meilensteinen in seiner zwölfjährigen Zeit an der KLU.

Interview: Susanne Löw

Was war Ihr erster Gedanke, als Herr Kühne Sie im Jahr 2010 fragte, ob Sie eine neue wissenschaftliche Hochschule aufbauen wollen?

Prof. Sönke Albers: Ich dachte: „Oh mein Gott!“ (lacht) Aber ernsthaft: Ich hatte ja schon unterschiedlich erfolgreiche Berührungen mit Privatuniversitäten, war zum Beispiel der erste Professor an der WHU – Otto Beisheim School of Management, die sich toll entwickelt hat. In Kiel dagegen erlebte ich Gründungen von privaten Institutionen, die an schlechter Finanzierung gescheitert sind. Herr Kühne hat mir dagegen signalisiert: Die Finanzierung ist kein Problem. Auch hinsichtlich der grundsätzlichen Ausrichtung wurden wir uns einig: Es sollte keine weitere normale, deutsche Universität werden, sondern etwas bewusst Anderes. Ich war damals 62 Jahre alt und für mich war klar: Ich will nochmal etwas Neues machen! Auch meine Frau meinte: Mach das, das könnte nochmal interessant sein.

Wie sah Ihre Strategie für die erste Stunde der KLU aus, worauf haben Sie Ihren Fokus gelegt?

Albers: Meine klare Prämisse lautete: Keine Lehrstühle, sondern eine Department-Struktur, genau wie im Ausland – damit die Professoren und Professorinnen intensiv zusammenarbeiten. Dem folgend habe ich das gestufte Professoren-Dasein eingeführt, um die Motivation hochzuhalten: Assistant, Associate und Full Professor. Und ich wollte eine forschungsorientierte Hochschule.

Wie lief die Phase der ersten Berufungen, was waren die größten Herausforderungen und wie haben Sie sie gelöst?

Albers: Das große Problem war: Wer will an eine Universität, an der es noch keine Professorinnen und Professoren gibt, und bei der niemand weiß, wohin das Ganze führt? Also habe ich mich insbesondere an internationalen Universitäten und auf Logistik-Konferenzen umgesehen: Gibt es deutsche Professoren, die mit ihrem internationalen Background zurück nach Deutschland wollen und genug Biss für eine Hochschule ohne Lehrstühle haben? Mein Ruf hat mir dabei geholfen. Die Branche wusste: „Der steht für Forschung.“ Die Strategie ging auf.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie wussten: Jetzt können wir durchstarten?

Alber: Nach etwa einem Jahr haben wir Berufungen ausgesprochen: Drei Deutsche kamen aus Rotterdam, Singapur und von der Penn State, die Griechin Maria Besiou – heute Forschungsdekanin – kam von der privaten Wirtschaftshochschule INSEAD in Frankreich, Kai Hoberg wechselte aus einer Beratungsfirma zu uns. Außerdem hatte ich zwei Habilitanden aus Kiel mitgebracht. Das war anfangs umstritten – heute sind sie an der KLU forschungsstarke Professoren, einer von ihnen ist Christian Barrot, jetziger Studiendekan. Dann kam „Mister Logistics“ Alan McKinnon dazu und so hatten wir eine erste Mannschaft. Ich wusste spätestens ab diesem Zeitpunkt: Das wird gut.

Parallel war Ihnen von Anfang an ein strukturiertes Doktorandenprogramm wichtig. Warum ist das für Sie ein wichtiges Element für eine erfolgreiche wissenschaftliche Hochschule?

Albers:Herr Kühne wollte auf jeden Fall ein PhD-Programm. Für mich war klar: Nicht in der Art wie es an deutschen Universitäten üblich war – nämlich, dass man bei einem Professor in die Lehre ging und hoffen musste, genügend zu lernen. Es zeichnete sich schon um 2000 ab, dass Promotionsstudierende durch strukturierte Kurse mehr an die Hand genommen werden: Wie forscht man, wie schreibt man Aufsätze? Ich hatte Erfahrung mit strukturierten PhD-Programmen, zusammen mit meinem akademischen Lehrer in Kiel betreute ich das deutschlandweit erste BWL-Graduiertenkolleg. Das wollte ich auch an der KLU etablieren.

Sie haben die Atmosphäre in der Anfangszeit der KLU oft mit einem Startup verglichen. An welche Erlebnisse erinnern Sie sich? Und wie haben sich Praxis und Kultur im Laufe der Zeit verändert?

Albers: Die einschneidendste Erinnerung: Ich kam am ersten Tag in einen Raum mit einem leeren Tisch. Es gab nichts außer einem Telefon. Computer? „Die müssen wir noch anschaffen“, hieß es. Außerdem bestanden die ersten Räumlichkeiten in der Nähe des heutigen SPIEGEL-Gebäudes aus einem Großraumbüro, in dem man beliebig gestört wurde. Jeder rannte auf jeden zu, wenn etwas zu lösen war – weil es noch keine Strukturen gab.

Ein Beispiel für die dynamischen Startup-Strukturen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, teilte uns mit, dass die KLU keine Fördermittel beantragen dürfe, weil ihr die „Standards guten wissenschaftlichen Arbeitens“ fehlten. Also habe ich bei anderen Universitäten recherchiert, einen Text für die KLU geschrieben und ihn mit dem akademischen Senat abgestimmt. Drei Wochen später hatten wir die Berechtigung. An staatlichen Hochschulen dauert so ein Prozess zwei Jahre. Natürlich ist auch die KLU durch die gewachsenen Strukturen inzwischen langsamer geworden.

 

Welche der von Ihnen gesetzten Meilensteine sind Ihnen am wichtigsten?

Albers: Zunächst die Tatsache, dass wir zügig Professorinnen und Professoren gewinnen konnten. Dank unserer Startup-Mentalität haben wir Bewerbungen in einem Tag geprüft und am nächsten Tag Angebote verschickt. Zweitens die Tatsache, dass wir diese Fakultätsmitglieder entsprechend ihrer Karrierepfade, gemäß dem Tenure Track, weiterentwickeln und befördern konnten. Auch relativ junge Professoren von damals haben heute starke Netzwerke, exzellente Publikationen und Lehrerfahrung. Und dann natürlich die institutionelle Akkreditierung 2015, die aufgrund der hohen Anforderungen des Wissenschaftsrats nicht einfach zu erreichen war, und das Promotionsrecht, das uns 2017 verliehen wurde.

Nicht zuletzt dank dieser Meilensteine liegt im Jahr 2022 eine positive Zukunft vor der KLU. Welchen Beitrag kann sie gerade in Zeiten globaler Krisen und Unsicherheiten leisten?

Albers: Die KLU ist forschungsstark aufgestellt, vorneweg in den derzeit großen brennenden Themen: Lieferketten und Nachhaltigkeit. Aber auch Professuren in damit verbundenen und angrenzenden Disziplinen wie Marketing, Buchhaltung/Finance, Unternehmensorganisation und Leadership sind besetzt, sodass diese Gebiete sehr gut beforscht werden können und die KLU die Wirtschaft als Impulsgeber entscheidend unterstützen kann.

Sie sind bekannt als internationaler Netzwerker. Was sind Ihre Erfolgsfaktoren?

Albers: Ich bin kein geborener Netzwerker, sondern hatte mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Brockhoff einen exzellenten akademischen Lehrer, der mir klargemacht hat: Wer in der akademischen Welt etwas erreichen will, muss raus! In Stanford war ich ein Jahr Gastwissenschaftler und war dann auf zahlreichen Konferenzen und habe viele Leute kennengelernt, zu denen ich bis heute Kontakt habe. Das gefiel mir. Auch meine Doktorandinnen und Doktoranden habe ich dazu ermutigt. Viele von ihnen haben das beherzigt und haben heute selbst eine Professur. Außerdem habe ich mich in der European Marketing Academy, EMAC, engagiert und war in diversen Verbänden aktiv.

Und so ist letztlich die Familie der „Albers-Denkschule“ entstanden …

Albers: Richtig, zu unseren jährlich „SALTY-Treffen“ kommen bis zu 100 Leute. Den Begriff hat ein Schüler von mir nach einem Auslandsaufenthalt in Australien geprägt: „Salty“ ist nicht nur der Name des australischen Salzwasserkrokodils, sondern SALTY steht auch für Sönke, Albers, Lehrstuhl und Team. Ich habe viele akademische Schülerinnen und Schüler im Bereich Marketing und Innovation, denen ich immer gepredigt habe: Ihr müsst auf der persönlichen Ebene gut miteinander auskommen, könnt aber beruflich in Wettbewerb treten. Das haben alle akzeptiert, so ist eine tolle Gruppe entstanden.

Was ist Ihnen in der Forschung an der Schnittstelle von Marketing und BWL-Praxis wichtig?

Albers: Ich habe in meiner Zusammenarbeit mit Unternehmen immer zur Bedingung gemacht, dass ich Daten für Analysen und Forschungszwecke erhalte und dass ich interessante Ergebnisse publizieren darf. In den letzten Jahren haben das digitale Marketing und der Einsatz von künstlicher Intelligenz diesen Bereich stark verändert. Für die Forschung heißt das: Man muss permanent methodisch dranbleiben – auch wenn es anstrengend ist.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus Ihrer KLU-Zeit?

Albers: Man sollte hart kämpfen in der Sache, aber den professionellen Austausch vom Persönlichen trennen. Mit meinem Kollegen Alan McKinnon hatte ich gelegentlich harte Fights, aber wir verstehen uns nach wie vor persönlich gut. Außerdem nehme ich die Erkenntnis mit: Wenn man diszipliniert nach einem strukturierten Plan vorgeht, ist man erfolgreich – genau wie bei den ursprünglich angelegten Strukturen für die KLU, die am Anfang nicht jeder gut fand. 

Neben den SALTY-Treffen: Auf welchen Ebenen werden Sie künftig noch Kontakt zur KLU haben?

Albers: Ich bin nun von der Lehre entbunden, aber es laufen noch viele Forschungsprojekte, ich bin nach wie vor als Reviewer tätig, besuche Konferenzen. Es geht also weiter, wenn auch reduziert.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!

 

Eindrücke vom offiziellem Abschied von Herrn Dr. Dr. h.c. Sönke Albers an der KLU.