Künstliche Intelligenz: Züge und Lkw besser takten

Locomotive of Deutsche Bahn

Wann erreicht ein Container das Containerschiff im Seehafen? Dies ließ sich bislang nur vage voraussagen. Mit Mitteln künstlicher Intelligenz (KI) erfasst ein Modell nun frühzeitig Störungen auf Schiene und Straße und prognostiziert die Ankunftszeit mit hoher Genauigkeit. Erstmals ist so ein strategisches Risikomanagement entlang des Transportwegs möglich. Entwickelt wurde das System im Forschungsprojekt SMECS (Smart Event Forecast for Seaports) von TU Berlin (Leitung), Kühne Logistics University (KLU) und DB Cargo.

Für das Prognosemodell schauten sich die Wissenschaftsteams die Verbindungen von Leipzig, Regensburg und München zum Seehafen Hamburg an. Sie erstellten mithilfe von Experteninterviews zunächst eine Prozesslandkarte, die alle physischen Prozesse im Exportprozess vom Versender bis hin zum Schiff detailliert beschreibt. Anschließend wurden historische Daten für vier Jahre gesammelt und bereinigt. Sie umfassen 50.000 Zugfahrten, 96.000 Lkw-Fahrten und 8,6 Millionen containerbezogene Events.

    Historische Daten trainieren Algorithmus

    „Wir haben aus der Wahrheit der Vergangenheit gelernt“, erläutert KLU-Projektleiter Dr. André Ludwig, Associate Professor of Computer Science in Logistics, die Methode. „Ein lernfähiger Algorithmus wurde mit historischen Daten wie Abfahrtszeiten und vielen weiteren Einflussfaktoren gefüttert und trainiert. Interne Einflüsse wie Auslastung des Schienennetzes und verfügbares Personal sind dabei genauso wichtig wie externe Faktoren wie Weichenstörungen, Wetter oder Polizeieinsätze. So konnten wir prognostizieren, wann der Zug ankommt und dies mit der Realität abgleichen.“ Die Wissenschaftsteams identifizierten rund 50 relevante Einflussfaktoren und erzielten mit ihrer Hilfe eine Prognosequalität von 86 Prozent. „Damit haben wir in diesem angewandten Forschungsprojekt das Ziel klar erreicht“, freut sich Prof. Ludwig.

      „Die Fähigkeit live-Prognosen für die geplante Ankunftszeit von Güterzügen zu erstellen, spielt eine Schlüsselrolle für DB Cargo“, betont DB-Cargo-Projektleiterin Dr. Hannah Richta. „Wir können so Ressourcen effizienter einsetzen und die Servicequalität für unsere Kunden erhöhen. Durch den sehr guten Austausch im Forschungsprojekt mit TU Berlin und KLU haben wir ein besseres Verständnis für die wichtigen Einflussfaktoren und für mögliche Ansatzpunkte zur proaktiven Steuerung der Ankunftszeit gewonnen."

      KI-basierte Entscheidungshilfe

      Sogenannte intermodale Transportnetzwerke mit mehreren Transportmitteln wie Zug, Lkw oder Schiff sind dynamisch, komplex und daher anfällig für Störungen. Jeder vierte Güterzug ist laut DB Cargo verspätet, im Schnitt um 23 Stunden (Güterverkehrsforum 2015). Und auch Lkw im Stau verursachen Kosten in der Lieferkette. Lange Reaktionszeiten oder ineffiziente Adhoc-Lösungen passen jedoch nicht zu steigenden Anforderungen an Lieferservice und Lieferzeit.

      Durch Integration aller beteiligten Akteure können Verspätungen und Terminalüberlastungen nun besser prognostiziert werden. Im Störfall schlägt das KI-basierte System Alternativen vor, um die Güterströme optimal zu steuern. Prof. Ludwig fasst zusammen: „Die Lieferketten werden kostengünstiger, zuverlässiger und im Wettbewerb gestärkt. Hier zeigt sich das riesige Potential von transparentem Datenmanagement und maschinellem Lernen.“

      Das Projekt wurde im Rahmen der Initiative „Innovative Hafentechnologien“ (IHATEC) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert. Zum Projektteam gehörten in leitender Funktion Prof. Dr. André Ludwig und Prof. Dr. Hanno Friedrich sowie Dr.-Ing. Andreas Balster, Senior Researcher.

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