Lieferketten für frische Lebensmittel: Herausforderungen und innovative Geschäftskonzepte

Trucks transport food from farms

Frisch, gesund und appetitlich aussehend sollen unsere Lebensmittel sein. Hinzu kommt, dass Banane, Käse und Tiefkühlpizza auf ihrem Weg ins Regal zunehmend auch möglichst nachhaltig transportiert und gelagert werden sollen. Welche neuen Aufgaben haben Unternehmen dadurch und wie wollen sie diese lösen? Professorin Sandra Transchel, Mitgründerin der Food Research Group an der KLU, stellt die Ergebnisse eines Workshops zu dieser Frage vor.

Die KLU hat gemeinsam mit der Technischen Universität München, der Universität Bayreuth und der Katholischen Universität Eichstädt-Ingolstadt am 22. April 2022 einen Workshop für Studierende zu „Lieferketten für frische Lebensmittel: Innovative Geschäftskonzepte für aktuelle Herausforderungen“ organisiert. Die Unternehmensseite war durch REWE, Picnic, HelloFresh und das Food Start-Up Every vertreten.

Die meisten Menschen erwarten makellose frische Lebensmittel zu günstigen Preisen im Kühlregal, wenn sie einkaufen gehen. Vor welche Herausforderungen stellt das die Akteure in der Lieferkette entlang Produktion, Transport und Vertrieb?

Sandra Transchel: Die zurzeit größte Herausforderung ist die hohe Inflation und der damit verbundene extreme Preisanstieg, insbesondere bei den Energiekosten. Das wirkt sich u. a. auf die Kosten bei gekühlten Transporten und natürlich auf die Lagerung frischer Ware aus. Sowohl bei den Unternehmen als auch bei uns Endkundinnen und -kunden sind die Auswirkungen schon merklich spürbar.  Wir werden in nächster Zeit wohl mit weiteren Preissteigerungen rechnen müssen. Insbesondere bei frischen Lebensmitteln, bei denen es hohe Anforderungen an kontinuierlich funktionierende Kühlketten gibt.

Eine weitere Herausforderung ist der Umbau zu nachhaltigeren Lieferketten. Hier muss auch bei uns Verbraucher*innen ein Umdenken stattfinden. Ob eine Karotte, ein Brokkoli oder eine Gurke bestimmten Standardmaßen entspricht, sollte beim Kauf keine Rolle spielen, da dies zu unnötiger Lebensmittelverschwendung führt. Es sind nicht zuletzt die hohe Erwartungshaltung, immer „makellose frische Lebensmittel zu günstigen Preisen“ vorzufinden und der enorme Wettbewerbsdruck beim Lebensmitteleinzelhandel, die es so schwierig machen, Lebensmittel-Lieferketten nachhaltig umzugestalten.

Die KLU hat gemeinsam mit drei weiteren Hochschulen aus München, Bayreuth und Eichstätt-Ingolstadt im April einen online-Workshop für Studierende und andere Interessenten organisiert. Was waren die Ziele?

Sandra Transchel: Der Workshop ist Auftakt einer kleinen Serie, mit der wir zwei wesentliche Ziele verfolgen. Zum einen wollen wir eine Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft und Unternehmen zu den besonderen Herausforderungen im Supply-Chain-Management von Lebensmittel-Lieferketten und möglichen Lösungsansätzen schaffen. Uns interessiert, inwieweit Forschung einen Beitrag leisten kann. Das zweite Ziel ist die Einbindung in die Lehre. Studierende aller teilnehmenden Hochschulen profitierten von vier Praxisvorträgen und einer anschließenden Paneldiskussion.

Was waren zentrale Ergebnisse des Austauschs?

Sandra Transchel: Die Firmenvertreter waren sich einig, dass neben einer breiten praxisnahen Ausbildung, zum Beispiel durch vielfältige Praktika, auch eine solide wissenschaftliche Grundausbildung notwendig ist. Da das Thema Datenaufbereitung und -analyse in vielen Unternehmen von der Kür zur Pflicht geworden ist, sind auch solide Kenntnisse in Mathematik und Statistik immer wichtiger.

Die Idee für eine Workshop-Serie hatten Prof. Dr. Alexander Hübner von der TU München und ich schon vor anderthalb Jahren. Später kamen noch Prof. Dr. Christian Fikar von der Universität Bayreuth und Prof. Dr. Heinrich Kuhn von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Mitorganisatoren an Board.

Wie kann Wissenschaft beitragen, Praxisprobleme in den Lieferketten für gekühlte frische Lebensmittel zu lösen?

Sandra Transchel: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges haben dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Lieferketten neu aufstellen müssen. In vielen Bereichen lässt sich dabei ein Trend zu wieder kürzeren und sogar regionalen Lieferketten erkennen. Um Transportwege und CO2-Emissionen weiter zu reduzieren, wird man auch im Lebensmittelbereich nicht darum herumkommen. Die Frage ist allerdings, wie das genau aussehen kann.

Wie lassen sich regionale Lebensmittel-Lieferketten, die eher aus vielen kleinen unabhängigen Anbietern bestehen, nachhaltig stärken und wettbewerbsfähig machen? Wie müssen Logistiknetzwerke designed und organsiert werden, um Lebensmittelverfügbarkeit in Krisenzeiten sicherzustellen? Oder: Wie beeinflussen innovative Konzepte wie „Vertical Farming“ regionale Lebensmittellieferketten und Logistiknetzwerke? Es gibt eine Reihe von Forschungsfragen dieser Art, mit denen wir uns an der KLU in unserer Research Group Food Supply Chain Management zurzeit beschäftigen.

 

Stimmen aus der Wirtschaft

Philipp Bächle, Director Supply Chain & Procurement DACH, HelloFresh:
Wenn es darum geht, den Lebensmittelversand am Laufen zu halten, gehören Lieferkettenmanagement und Beschaffung zu den schwierigsten Bereichen. Harte Nüsse in der täglichen Arbeit zu knacken, macht aber gleichzeitig besonders viel Spaß. (LinkedIn-Profil)

Dr. Benedikt Schulte, Strategy & Quality Management Logistics/SCM, REWE Group:
In der heutigen von Unsicherheiten geprägten Zeit bei zugleich steigenden Erwartungen unserer Kundinnen und Kunden wächst die Bedeutung von Logistik und Lieferkettenmanagement weiter. In diesem Zusammenhang setzen wir auf Operations Research und maschinelles Lernen. So wollen wir Leistung  und Effizienz steigern und Lebensmittelverschwendung minimieren. (LinkedIn-Profil)

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