Studie zu Innovationsmanagement: Corporate Crowdfunding

Top view at a very large group of people

Wo steckt sie bloß, die nächste große Idee? Unternehmen wie IBM, Lufthansa Systems und Siemens haben neben klassischen top-down-Methoden einen neuen Weg eingeschlagen, Innovationen zu fördern. Sie nutzen internes Crowdfunding (Corporate Crowdfunding), um Ideen aus der Mitte der Organisation, also von den Mitarbeitenden, zu fördern und umzusetzen. Prof. Christina Raasch hat in Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen die Strategien großer Unternehmen verglichen, benennt Vorteile und zeigt Hürden auf.

Große Bekanntheit hat das Prinzip Crowdfunding durch Plattformen wie Kickstarter, Startnext oder VisionBakery erlangt. Seit einigen Jahren nutzen auch Unternehmen die „Schwarmfinanzierung“. Dabei erhalten Mitarbeitende Budget, welches sie in Ideen von Kolleg*innen investieren können. Die so finanzierten Ideen werden dann als Pilot umgesetzt und getestet – oft unabhängig von der Geschäftsleitung. Wie im klassischen Crowdfunding gilt auch hier das „Alles oder nichts“-Prinzip. Das bedeutet: Ein Projekt kommt nur zustande, wenn das zuvor festgelegte Förderziel erreicht wurde.

„Traditionell sind es die Topmanager*innen, die innovative Projekte auswählen und Mittel zuweisen. Im Innovationsmanagement geht es darum, die Schleusen zu öffnen. Neue digitale Technologien ermöglichen es, viele kluge Köpfe im Unternehmen in die Suche nach der nächsten großen Idee stärker einzubeziehen“, fasst Prof. Dr. Christina Raasch die Vorteile zusammen.

Um mehr über Corporate Crowdfunding zu erfahren, begleiteten Wissenschaftler*innen über fünf Jahre Finanzierungswettbewerbe innerhalb von Siemens, Europas größtem industriellen Hersteller. Die Studie umfasst Experimente und Interviews mit Mitarbeitenden und Führungskräften bei Siemens sowie Lufthansa, Audi und Kühne+Nagel, die ebenfalls Corporate Crowdfunding einsetzen.

Vorteile von Corporate Crowdfunding

Die Studie identifiziert vier wesentliche Vorteile von Corporate Crowdfunding im Vergleich zu traditionellen Innovationsprozessen:

Dezentralisierung: Eine digitale Plattform aktiviert eine Vielzahl an unternehmensinternen Talenten und Erfahrungen. Beispielsweise waren bei Lufthansa in der Ideenfindungsphase monatlich bis zu 30 % der Lufthansa-Mitarbeitenden aktiv. Siemens sammelte pro Wettbewerb etwa 120 Ideen. Diese reichten vom Blind Date in der Mittagspause (von mehr als 20.000 Mitarbeitenden genutzt) bis hin zu 3-D-Druck-Anwendungen. In der Finanzierungsphase wird die Ideenfindung im Corporate Crowdfunding durch die Bewertung transparenter und demokratischer.

Übergreifende Zusammenarbeit: Corporate Crowdfunding schlägt Brücken zwischen Mitarbeitenden, die sich sonst nicht begegnen würden. Ein Beispiel dafür ist ein Siemens-Teams, das an einer Idee zur Offshore-Algenzucht arbeitet. Die Mitglieder kommen aus vier Ländern, haben verschiedene Funktionen und Karrierelevel. Was sie verbindet, ist ihr Interesse an nachhaltigen Lösungen.

Institutionalisierung: Eigentlich unplanbare Dinge wie eine gute Idee irgendwo im Unternehmen bekommen einen institutionellen Rahmen und werden gefördert.

Intrapreneurship: Corporate Crowdfunding macht den Innovationsprozess unternehmerischer und Beteiligte werden zu Intrapreneuren. Sie sind intrinsisch motiviert und setzen sich für ihre Ideen ein. Frühes Feedback in der Ideenfindungsphase beschleunigt den Entscheidungsprozess von der Idee bis zur Umsetzung.

Erfolgsfaktoren für eine Crowdfunding-Kampagne

Je nach Unternehmen kann ein Crowdfunding-Kampagne unterschiedlich organisiert sein. Stellschrauben sind Auswahl und Größe der teilnehmenden Gruppe, die Konfiguration der Plattform hinsichtlich Zeitrahmen, Finanzierungsmechanismus und Transparenz und das Maß der Kontrolle über Ideen und ihre Umsetzung.

Zur Kontrolle sagt Prof. Christina Raasch: „Wir haben gesehen, dass Kontrollmechanismen wie ein Vetorecht für Führungskräfte nicht notwendig sind. In den meisten Fällen wählt die Crowd Projekte aus, die für das Unternehmen von Vorteil sind.“ Biergärten wurden demnach noch nicht finanziert, wohl aber ein internes Kinderbetreuungsprogramm für die Ferienzeit.

Herausforderungen beim Corporate Crowdfunding und wie man sie überwindet

So hilfreich Corporate Crowdfunding sein kann, es bringt auch einige Herausforderungen mit sich. Das Forscherteam sieht einige zentrale Herausforderungen, darunter den Umgang mit abgelehnten Ideen und die nachhaltige Implementierung nach dem Ende der Finanzierung. Prof. Raasch fasst zusammen: „Wir sehen, dass Corporate Crowdfunding aktiv gesteuert werden muss, aber der Aufwand lohnt sich. Denn es gibt viele Vorteile für Innovation, Zusammenarbeit und Mitarbeitenden-Engagement.“

Die Studie entstand gemeinschaftlich mit der Technischen Universität München (TUM)  und der Universität Twente (Niederlande).

Mehr Informationen:
Tim Schweisfurth, Michael A. Zaggl, Claus P. Schöttl and Christina Raasch, Hierarchical similarity biases in idea evaluation: A study in enterprise crowdfunding, No 2095, Kiel Working Papers from Kiel Institute for the World Economy (IfW), 2017.