Was man von Fußballteams über das Einstellen von Top-Talenten lernen kann

Football goalkeeper kicks ball

Top Talente einstellen – Top Leistung erzielen? Auf den ersten Blick eine einfache Gleichung. In der Realität ist die Umsetzung oft schwieriger. Eine neue Studie von Wissenschaftler*innen der Kühne Logistics University, TU München, University of Maryland und University of South Carolina hat am Beispiel des europäischen Vereinsfußballs untersucht, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit neue Mitspieler ihr volles Potenzial ausschöpfen. Marvin Schuth, Prisca Brosi, Nicholas Folger, Gilad Chen und Robert Ployhart identifizierten dabei Einflussfaktoren, welche in jedem Arbeitsteam zu finden sind. Diese sind daher nicht nur für den Profifußball relevant, sondern lassen sich auch auf andere Unternehmen übertragen.

In ihrer Studie untersuchten sie rund 4.500 Spielerwechsel zwischen 168 Teams in den fünf europäischen Top-Ligen (Spanien, England, Italien, Deutschland und Frankreich) zwischen 2008 und 2018. „Top-Talente werden hier häufig für hohe Summen verpflichtet und die Verantwortlichen erwarten, dass sich diese Investition unmittelbar mit einer sehr guten Leistung auszahlt“, sagt Prisca Brosi, Professorin für Human Resources an der KLU. „In der Realität spielen aber weitere Faktoren eine wichtige Rolle, etwa der Wechselzeitpunkt und die Dauer der Einarbeitung, aber auch die vorherige Leistungsstärke des Teams“, erklärt sie.
 

Talent und Zeit für die Einarbeitung entscheidend

Im Rahmen der Untersuchung wurden unter anderem Wechsel vor der Saison (d.h., in der Sommerpause) und während der Saison (d.h., in der Winterpause) miteinander verglichen. „Die individuellen Fähigkeiten des neuen Spielers beeinflussen die Leistung des Spielers unabhängig des Zeitpunktes des Wechsels aber bei den Teamfaktoren spielt der Zeitpunkt eine entscheidende Rolle“, sagt Marvin Schuth, Erstautor der Studie und Gastwissenschaftler an der KLU. Einer dieser Einflussfaktoren ist die bisherige Leistung des Teams vor dem Neuzugang.

„Talentierte neue Spieler profitieren von leistungsstarken Teams“, sagt Brosi, „das gilt aber nur, wenn genug Zeit für die Einarbeitung vorhanden ist. Bei einem Wechsel innerhalb der Saison und damit einhergehender kurzer Einarbeitungszeit, wirken sich leistungsstarke Teams eher negativ auf die Leistung von neuen Spielern aus“, ergänzt Schuth. Generell kommt das individuelle Talent der Spieler in schwächeren Teams stärker zum Tragen – sehr leistungsstarke Teams scheinen dagegen weniger offen für „Newcomer“ zu sein. Der zweite wichtige Faktor ist die Anzahl der neuen Spieler, die ins Team kommen. Wenn die Einarbeitungszeit fehlt, sinkt die Leistung der Neuzugänge mit jedem weiteren neuen Spieler. „Wir nehmen an, dass eine Vielzahl neuer Spieler die Teamprozesse unterbrechen und dadurch die Einarbeitung erschweren“ sagt Schuth.

Individuelle Einarbeitung notwendig

Was können Unternehmen von den Fußballern lernen? „Unterm Strich lohnt es sich auf jeden Fall, sehr leistungsstarke neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Team zu holen“, sagt Brosi. „Aber: die Leistung von neuen Mitarbeitenden hängt auch von der bisherigen Teamleistung und der Einarbeitung ab.“ Vor allem sehr leistungsstarke Teams müssen darauf achten, für Newcomer offen zu sein und diese zu unterstützen. Dabei ist genügend Zeit für die Einarbeitung entscheidend. Newcomer müssen in die Teamprozesse eingegliedert werden, um im Team die erwartete Leistung erbringen zu können. „Wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht, ist es sinnvoller, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach und nach ins Boot zu holen, statt durch zu viele gleichzeitige Neueinstellungen die Leistung eher zu behindern“, sagt Brosi.

Originalpublikation: Schuth, M., Brosi, P., Folger, N., Chen, G., & Ployhart, R. E. (2022). When new talent scores: The impact of human capital and the team socialization context on newcomer performance in professional sports teams. Journal of Applied Psychology. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/apl0001060