Nachhaltige Schifffahrt: "Ein klassisches Henne-Ei-Problem"

Dominik Englert

Dominik Englert, Ökonom an der World Bank in Washington, wird am 27. Oktober auf dem KLU-Symposium „Transitions: Readiness and Challenges in the Shipping Industry“ in einem Panel über Nachhaltigkeit in der Schifffahrt diskutieren. Was erwartet die Gäste? Wir haben vorab mit Englert gesprochen.

Worin liegen die größten Herausforderungen bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt?

Dominik Englert: Die größte Herausforderung ist finanzieller Natur, die Millionenfrage lautet: Wer zahlt für die Energiewende in der Schifffahrt? Daraus ergibt sich auch, wer Vorreiter sein kann oder sollte? Die zweite Herausforderung besteht in der Einhaltung der Klimaziele des Pariser Abkommens – hier geht es nicht nur um „Zero Emissions“ bis zum Jahr 2050, sondern auch um ein Eindämmen der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius.

Welche Chancen bietet die Dekarbonisierung der Schifffahrt auf der anderen Seite?

Englert: In vielen Entwicklungsländern besteht ein enormes Potenzial zur Produktion von erneuerbaren Energien – in Zahlen bedeutet das einen Markt für Investoren im Wert von über 1,3 Billionen Dollar. Gleichzeitig kann die Schifffahrt durch die Dekarbonisierung zum Türöffner werden, nicht nur für den eigenen Sektor, sondern auch für andere Branchen wie die Schwer- oder Chemieindustrie, die ebenfalls auf Wasserstoffbasis dekarbonisieren müssen. Die Schifffahrt kann somit sogar zum Katalysator für die gesamte globale Transformation werden.

Welche Rolle spielen internationale Organisationen bei dieser Transformation?

Englert: Eine regulative und eine finanzielle. Für regulative Vorgaben ist die International Maritime Organization (IMO) gefragt, die für die Schifffahrt klare Wegweiser entlang der Pariser Klimaziele definieren kann. Zudem bedarf es strenger Richtlinien mit strikten Treibgas-Standards oder sinnvollen CO2-Preisen. Mithilfe von CO2-Preisen bzw. -Strafzahlungen können Länder strategisch finanziell unterstützt werden, die größere Schwierigkeiten bei der Energiewende in der Schifffahrt haben. Außerdem können Finanzinstitute wie die World Bank durch geeignete Kredite diese wachsenden Märkte für Privatinvestoren attraktiv machen, die es für die Dekarbonisierung der Schifffahrt zwingend braucht.

Was muss passieren, um die Entwicklung alternativer Kraftstoffe voranzutreiben?

Englert: Wir stehen aktuell vor einem klassischen Henne-Ei-Problem: Progressive Schiffeigentümer investieren noch nicht in CO2-neutrale Schiffe, weil die Energie-Infrastruktur noch nicht ausreicht. Auf der anderen Seite zögern potenzielle Investoren mit dem Einstieg in Infrastruktur und Produktion, solange nicht eine kritische Menge an CO2-neutralen Schiffe produziert wird. Diesem Dilemma kann mit stringenten Regulationen begegnet werden, indem der Einsatz alternativer Kraftstoffe vorgeschrieben oder incentiviert wird. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass diese Kraftstoffe nicht nur partiell, sondern weltweit verfügbar sind, damit alle Beteiligten die verlässliche Gewissheit haben, überall eine entsprechende Infrastruktur vorzufinden. Auf diese Weise kann der Schifffahrt eine praktikable CO2-neutrale Alternative zum Schweröl geboten werden – das ist eines der zentralen Ziele der World Bank.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Englert!

Weitere Informationen:

  • Erleben Sie Dominik Englert auf dem KLU-Symposium am 27. Oktober im Panel „Environmental sustainability – zero emissions in 2050 – realistic pathway or dream?“ gemeinsam mit Lucienne Damm (TUI Cruises GmbH), Dr. Frank Dubielzig (Hapag-Lloyd AG), Dr. Peter Liese (Member of the European Parliament, EVP) und Dr. Elizabeth Lindstad (SINTEF Ocean, Maritime), moderiert von Prof. Alan McKinnon (KLU). Die Anmeldung erfolgt online.
  • Vollständiges Programm
  • Hapag-Lloyd Center for Shipping and Global Logistics (CSGL)