PhD-Workshop: Wie kann Lieferkettenmanagement nachhaltig werden?

Group photo in front of a Woolworths company site

Was sind die Herausforderungen, um Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu erreichen? Wie sehen mögliche Lösungen aus - und wie unterscheiden sich die Perspektiven zwischen Europa und Afrika? 30 Doktoranden und Post-Docs sowie acht Professor*innen kamen zusammen, um diese Fragen bei einem Workshop über nachhaltiges Lieferkettenmanagement an der Universität Stellenbosch in Südafrika zu diskutieren. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der KLU, der Kühne-Stiftung und der Universität Stellenbosch ausgerichtet und hatte zum Ziel, Nachwuchswissenschaftler*innen neue und innovative Forschungsperspektiven auf dem Gebiet der nachhaltigen Logistik und des SCM vorzustellen. Neben den KLU-Professoren Alan McKinnon und Kai Hoberg nahmen sechs weitere Professoren als Referenten sowie hochkarätige Expert*innen aus der Industrie an der Veranstaltung teil. In diesem Interview geben die Teilnehmerinnen Dounia Chlyeh und Manijeh Komeili, beide Doktorandinnen an der KLU, einen Einblick in den Workshop.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Workshop? Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Workshop?

Dounia Chlyeh: Der Workshop war ein Rahmen um zu verstehen, welche Herausforderungen es im Bereich der Nachhaltigkeit gibt und welche Möglichkeiten, Lösungen zu entwickeln. In der zukünftigen Forschung muss berücksichtigt werden, dass ein umfassenden Verständnisses der Umweltauswirkungen von Lieferketten unbedingt notwendig ist, genauso wie die Rolle eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements um diese Auswirkungen zu reduzieren. Um Nachhaltigkeit voranzutreiben, müssen die Stakeholder mit einbezogen werden, um die Nachhaltigkeit voranzutreiben. Digitalisierung, Automatisierung und andere Technologien haben das Potenzial, die Lieferketten zu verändern und Nachhaltigkeit zu verbessern. Ein Nachhaltigkeitsansatz, der die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte von Lieferketten berücksichtigt, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Außerdem wurde uns ein Rahmen zur Verfügung gestellt, der uns helfen soll, unsere Forschung zu kommunizieren, d. h. unsere Zielgruppe zu identifizieren und die Relevanz und den Nutzen unserer Forschung für sie aufzuzeigen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Verwirklichung der Nachhaltigkeit von Lieferketten?

Manijeh Komeili: In Europa ist die Logistikbranche für zwölf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist eine besonders schwierige Herausforderung für die Dekarbonisierung, weil eine totale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen besteht und der Frachtverkehr wahrscheinlich noch zunehmen wird. Außerdem fehlt es an der Frachtdaten, sie werden zu wenig erhoben und genutzt, während das zunehmende Greenwashing zur Entstehung von Green Hushing ((d. h. das Verschweigen von Nachhaltigkeitsinitiativen) geführt hat.
Aus südafrikanischer Sicht gehören zu den Problemen auch die hohe Frachtnachfrage und die starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, verbunden mit einem sehr niedrigen BIP. Die Fläche Südafrikas ist fast so groß wie die Deutschlands und Frankreichs zusammen, aber das BIP ist fast 18 Mal kleiner. Dadurch sind die südafrikanische Logistikunternehmen stärker finanziell belastet. Große Herausforderungen sind auch die schlechte Infrastruktur, übermäßige Abhängigkeit vom Straßentransport und eine ineffiziente Lieferkette, die zu einem Anstieg der Logistikkosten führt. Außerdem gibt es in Südafrika noch keine Kohlenstoffgutschriften oder Kohlenstoffsteuersysteme, und es gibt keine klaren Nachhaltigkeitsgesetze.

Unterscheidet sich die afrikanische Perspektive von der europäischen?

Dounia Chlyeh: Man darf nicht vergessen, dass Nachhaltigkeit ein globales Thema ist, das eine koordinierte Reaktion erfordert. Afrika und Europa haben sich den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verpflichtet, die einen Rahmen für die Bewältigung von Problemen wie Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung bieten. Die spezifischen Ansätze, um diese Ziele zu erreichen, unterscheiden sich jedoch je nach den lokalen Gegebenheiten und Prioritäten.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der europäischen und der afrikanischen Sichtweise auf Nachhaltigkeit besteht in der Höhe der Ressourcen und der Infrastruktur, die zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung zur Verfügung stehen. Europa verfügt über eine gut entwickelte Infrastruktur und Zugang zu Finanzmitteln und Technologie, während viele afrikanische Länder beim Zugang zu diesen Ressourcen und beim Aufbau der für eine nachhaltige Entwicklung erforderlichen Infrastruktur vor erheblichen Herausforderungen stehen.

Welche Lösungen gibt es für ein nachhaltigeres Lieferkettenmanagement?

Manijeh Komeili: Aus afrikanischer Sicht gehören zu den vorgeschlagenen Lösungen in die Schieneninfrastruktur zu investieren, die Länge des Kernnetzes zu verringern, kraftstoffsparender Transportpraktiken zu fördern und das Fahrerverhalten zu verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren in der Lieferkette, einschließlich der Regierung, der Industrie und der Zivilgesellschaft, könnte dazu beitragen, Ineffizienzen zu erkennen und zu beseitigen und nachhaltigere Praktiken zu fördern.
Aus europäischer Sicht wurden u. a. folgende Lösungen vorgeschlagen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und auf sauberere Energiequellen wie Wasserstoff-Brennstoffzellen umzustellen. Oder neue Technologien wie 3D-Druck und Onboard-Kohlenstoffabscheidung einzuführen oder lokale Beschaffung und Dekarbonisierung der Lagerbestände. Dazu gibt es Bedarf an kontinuierlicher Forschung und Datenerhebung, um die Herausforderungen und Möglichkeiten für ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement besser zu verstehen.

Dounia Chlyeh: Wir glauben, dass es sowohl für Europa als auch für Afrika von entscheidender Bedeutung ist, Dekarbonisierungsstrategien wie den 10-C-Ansatz umzusetzen und Rahmenwerke wie ASI (Vermeiden, Verlagern, Verbessern) und ASIF (Aktivität, Struktur, Intensität, Kraftstoff) sowie die fünf Dekarbonisierungshebel zu berücksichtigen.
Darüber hinaus möchten wir auch die Schlüsselrolle der kulturellen und geografischen Vielfalt im Problemlösungsprozess hervorheben. Indem wir Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und geografischen Hintergründen zusammenbringen, können wir auf eine Reihe von Erfahrungen, Wissen und Perspektiven zurückgreifen, die zu innovativeren und effektiveren Lösungen für komplexe Probleme führen können.

Eindrücke von dem Workshop