Veränderung ist eine Frage des Mindsets

Hand stopping domino effect

Um im Wettbewerb zu bestehen und auf interne Dynamiken zu reagieren, müssen sich Unternehmen kontinuierlich verändern. Das Problem dabei: Trotz sorgfältiger Planung bleiben viele Change-Management-Initiativen erfolglos. Untersuchungen belegen, dass zwei Drittel aller Qualitätsprogramme, Lean-Transformation-Prozesse und ähnlicher Initiativen scheitern. Zwar ist bekannt, dass das Engagement der Führungsriege über den Erfolg von Change-Maßnahmen entscheidet. Doch erst jetzt hat sich eine Studie mit den kognitiven Hintergründen befasst, die den Willen zur Veränderung formen. Wir haben mit Johannes Meuer gesprochen, Co-Autor der Studie und Professor an der Kühne Logistics University (KLU).

Im Rahmen ihrer innovativen Studie haben Johannes Meuer, Associate Professor für Sustainable Management and Operations an der KLU, Torbjørn Netland (ETH Zurich) und Maricela Arellano (HEC Montréal) Überzeugungen und Verhalten von 76 leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern untersucht, die erfolgreich bei der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen waren.

„Auch wenn AI und Datenanalyse rasante Fortschritte machen, deuten unsere Forschungsergebnisse darauf hin, dass eine ganz andere Sache wichtig bleibt: Man muss dafür sorgen, dass die Leute einen Sinn hinter ihren Projekten erkennen“, so Meuer. „Der Schlüssel für ein erfolgreiches Change Management ist und bleibt die Überzeugung.“

Die Studie zeigt, dass das Engagement von Führungskräften auf spezifischen Kombinationen dreier bekannter Verhaltensintentionen („beliefs“) beruht: Verhaltensüberzeugungen, die sich aus den Bedenken einer Person hinsichtlich der Ergebnisse einer bestimmten Handlung ergeben; Kontrollüberzeugungen, die sich auf die Einschätzung einer Person hinsichtlich der Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Ausführung eines bestimmten Verhaltens beziehen; und normative Überzeugungen – die Überzeugung einer Person, dass andere ein Verhalten auf eine bestimmte Art und Weise bewerten.

„Bei Führungskräften, die Change-Programme engagiert vorantreiben, zeigt sich auf Basis dieser drei Überzeugungsformen eines von drei grundlegenden Mindsets: Sie sind vom Typus her entweder Mitläufer*innen, Pragmatiker*innen oder Reformer*innen“, erklärt Meuer.

Mitläufer*innen lassen sich durch Druck von außen motivieren, sei es von oben oder von Gleichgestellten. Sie haben keine Angst vor Veränderung und setzen sich für die Umsetzung von Change-Maßnahmen ein, sofern sie sich davon Erfolg für ihr Team versprechen

Pragmatiker*innen engagieren sich ebenfalls für Veränderung, wenn sie die Vorteile für ihr Team und sich selbst sehen. Aber Druck allein wird sie zu nichts bewegen. Personen mit diesem Mindset werden beispielsweise motiviert, indem ihre Erfolge gemessen und mit entsprechenden Anreizen eine Wettbewerbssituation hergestellt wird.

Reformer*innen dagegen vertrauen auf ihre persönlichen Fähigkeiten, Veränderungen voranzutreiben. Anders als Mitläufer*innen sind sie sich der Notwendigkeit der Veränderung bewusst. Denn sie erkennen, dass die aktuellen Praktiken nicht zukunftsfähig sind.

„Natürlich sind nicht alle Führungskräfte gleich und das gilt auch für das, was sie antreibt“, so Meuer. „Wenn sie aber entweder Mitläufer*in, Pragmatiker*in oder Reformer*in sind, erhöht das die Erfolgswahrscheinlichkeit von Change-Maßnahmen deutlich. Deswegen müssen Vorgesetzte von Führungskräften diese so inspirieren, dass sie eines dieser drei Mindsets entwickeln. Dann geben sie alles für die geplante Veränderung.“ Um genau das zu erreichen, haben Meuer,  Netland und Arellano vier Empfehlungen für Führungskräfte formuliert:

  1. Gehen Sie nie davon aus, dass Ihre Kolleg*innen von denselben Dingen motiviert werden wie Sie selbst, nutzen Sie die gesamte Motivationsklaviatur. Das beinhaltet jede Menge Kommunikation, Unterstützung, Messungen und Reportings, Audits, Auszeichnungen und zu Beginn des Change-Prozesses auch Besuche bei Benchmark-Organisationen, um die Erfolgsaussichten zu steigern.
     
  2. Konzentrieren Sie sich auf das Warum und Wie, nicht auf das Was. Führungskräfte müssen mehr Zeit investieren, um leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich zu machen, warum eine Veränderung mit Blick auf Schlüsselfaktoren richtig ist, und wie sie den Veränderungsprozess durchlaufen können. Wer Veränderungen vorantreiben will, sollte sich auf den Prozess und nicht auf das Ergebnis konzentrieren, das zeigt die Studie.  
     
  3. Es wird immer leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die zurückhaltend auf Veränderungsvorschläge reagieren. Sprechen Sie persönlich mit diesen „Zweiflern“, um zu verstehen, wie sie das Change-Programm wahrnehmen. So können diese wiederum besser auf die Bedenken ihrer Kolleginnen und Kollegen eingehen und ihren „Verkaufsstrategie“ zum Change entsprechend anpassen.  
     
  4. Leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich aus ganz unterschiedlichen Gründen für Veränderung. Überwachen Sie daher auf individueller Ebene, wie einzelne Maßnahmen greifen, und passen Sie sie bei Bedarf an.

Zuletzt sollte man eines nicht vergessen: „Niemand ist für immer ein Mitläufer, Pragmatiker oder Reformer“, so Meuer. „Wie die Überzeugungsformen individuell zusammenspielen, hängt vom Kontext ab und kann sich ändern. Erfolgreiche Führungskräfte entwickeln einen siebten Sinn dafür, wie sie ihre Mitarbeitenden ins Boot holen, egal, um welchen Change-Bedarf es konkret geht.“

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