Wiederverwendbare To-Go-Verpackungen: Skalierungsherausforderungen und der Weg zum nachhaltigen Konsum

Wie lang ist eigentlich die Nutzungsdauer eines Einwegbechers für einen Kaffee zum Außer-Haus Verzehr?... 5 Minuten, 10 Minuten oder vielleicht doch etwas länger? Die genaue Zeitdauer ist eigentlich unerheblich. Klar ist, dass die Zeit für Produktion, Transport und Entsorgung eines Einwegbechers um ein Vielfaches länger ist als die Zeit der zweckbezogenen Nutzung. Hinzu kommt, dass viele Einwegbecher am Ende nicht fachgerecht entsorgt werden, sondern als Müll in unserer Umwelt landen. Eine Studie des WWF zeigt, dass 2022 im deutschen Gastronomie-, Hotellerie- und Cateringsektor mehr als 13,5 Milliarden Einwegverpackungen für Speisen, Getränke und Süßwaren verkauft wurden.¹ Viele in der Gesellschaft sind sich einig, dass dies nicht mehr zeitgemäß ist und wir in vielen Bereichen einen Systemwechsel bei Verpackungen brauchen.

Von Prof. Sandra Transchel, Sandra Luttermann

Dieser Beitrag stammt aus "Forum Nachhaltig Wirtschaften", Ausgabe 2/2024. www.forum-csr.net 

Mehr Mehrweg

Neben Innovationen bei neuartigen Materialien und besserer Recyclingfähigkeit verbreiten sich seit einigen Jahren vermehrt neue Konzepte für Mehrwegverpackungen im B2C Bereich. Nicht erst seit der Einführung der Mehrwegangebotspflicht für Speisen und Getränke für den Außer-Haus (ToGo) Verzehr Anfang 2023 sehen wir z.B. einen rasanten Anstieg von Anbietern von ToGo-Mehrwegverpackungen (z.B. die Poolanbieter Recup/Rebowl, Relevo oder Vytal). Auch im Konsumgüterbereich gibt es neue Konzepte für neue Mehrweglösungen, wie das Startup dotch mit einer Mehrwegflasche für Speiseöle oder das Hamburger Unternehmen SEA ME, welches sich auf   Mehrwegverpackungen in der Drogeriebranche fokussiert.

Problem Skalierung

Trotz ehrgeiziger Initiativen der Industrie und immer neuen Start-ups mit innovativen Mehrwegkonzepten, gestaltet sich die Skalierbarkeit und somit eine großflächige Implementierung von Mehrwegverpackungssystemen im ToGo Bereich als schwierig. Neben einer mangelnden Akzeptanz beim Endkunden, ist die fehlende bzw. nicht standardisierte Infrastruktur ausschlaggebend für diese zögerliche Skalierung.

Endkunden beklagen oft die Komplexität von Mehrwegsystemen aufgrund der verschiedensten Anbieter von Mehrwegverpackungen mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten (Pfand oder App-basierte Zahlungen) und Rückgabestationen (oft nur bei den jeweiligen Ausgabestellen). Neben Kosten und Hygienefaktoren ist aus Kundensicht entscheidend, dass der Mehrwegbehälter nach der Nutzung schnell und bequem zurückgegeben werden kann. Um diesen Skalierungseffekt zu erreichen, benötigt es ein dichtes Netz an Rückgabestellen.

Endkunden beklagen oft die Komplexität von Mehrwegsystemen aufgrund der verschiedensten Anbieter von Mehrwegverpackungen mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten (Pfand oder App-basierte Zahlungen) und Rückgabestationen (oft nur bei den jeweiligen Ausgabestellen). Neben Kosten und Hygienefaktoren ist aus Kundensicht entscheidend, dass der Mehrwegbehälter nach der Nutzung schnell und bequem zurückgegeben werden kann. Um diesen Skalierungseffekt zu erreichen, benötigt es ein dichtes Netz an Rückgabestellen.

Für ein solches Rückgabenetz mangelt es zurzeit allerdings noch an einer ausreichenden Reinigungs- und Logistikinfrastruktur. Der überwiegende Teil zurückgegebener Mehrwegbehälter für ToGo Speisen und Getränke wird durch den Gastronomen bzw. den Einzelhändler gereinigt. Andere Mehrwegsysteme investieren oft in Insellösungen für die Reinigung und Logistik ihrer Mehrwegverpackungen. Diese Strategie ist jedoch nicht ausreichend skalierbar. Für großflächig skalierbare Mehrwegsysteme spielen der Einzelhandel und Gastronomen jedoch eine wichtige Rolle für das In-Verkehr-Bringen von Mehrwegverpackungen. Die hohen Investitionskosten für den Aufbau einer robusten und effizienten Infrastruktur sind jedoch mit nicht kalkulierbaren Risiken verbunden und somit eine enorme Hürde, um großflächig auf Mehrweg umzustellen. Um Mehrwegverpackungen in großen Mengen zügig zu reinigen, werden systemübergreifende Lösungen verschiedener Anbieter benötigt, welche nur durch enge Zusammenarbeit von Unternehmen entlang der Mehrweg Supply Chain erreicht werden können.

Aus den Beobachtungen der letzten Jahre lässt sich außerdem erkennen, dass eine Skalierung von Mehrwegsystemen nicht allein durch wirtschaftliche Anreize erreicht werden kann. Regierung und Regulierungsbehörden müssen durch staatliche Anreize bzw. erhöhte Umweltauflagen das Wachstum und die Skalierung von Mehrwegsystemen fördern. So können sie die Verwendung von mehr wiederverwendbaren Verpackungen z.B. durch die Einführung von Vermeidungs- und Wiederverwendungszielen oder Rücknahmeverpflichtungen fördern. Weiterhin können sie den Markt finanziell unterstützen, um Reverse-Logistik Prozesse rentabler zu machen.

Von existierenden Systemen lernen

Mehrwegsysteme sind seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil in verschiedenen Bereichen unserer Wirtschaft. So managen viele Unternehmen Logistiksysteme für Mehrweg-Transportverpackung (z.B. Paletten, Container, Boxen). Im B2C Segment kennen wir Mehrwegsysteme für Getränkeflaschen (Mineralwasser, Biere, etc.) und die MMP („Mach Mehrweg Pool“) Flaschen und Gläser.

Was können neue Mehrwegsysteme von den etablierten Playern lernen? Effizient gemanagte Mehrwegsysteme benötigen Standards und Zusammenarbeit! Um ein flächendeckendes Netz von Rückgabe- und Reinigungsstationen aufzubauen und Kosten effizient zu managen, benötigt es effektive und robuste Logistik und Reinigungsprozesse, die nur durch einen gewissen Grad an Standards (z.B. Form, Material, Etikett, Pfandabrechnung, Reinigung, etc.) gewährleistet werden können. Einheitliche Standards bei Verpackungen und Prozessen führt zu Kosteneinsparungen bei Einkauf, Lagerhaltung und Logistik. Da die Massenproduktion von standardisierten Verpackungen in der Regel günstiger ist als die Herstellung einer Vielzahl von individuellen Designs, können Beschaffungskosten gesenkt werden. Es ermöglicht zudem die Kompatibilität bei Reinigungs- und Logistikprozessen über verschiedene Lieferketten und Branchen hinweg. Diese Struktur erleichtert den Austausch zwischen verschiedenen Unternehmen. Dies führt insgesamt zu geringeren Lagerbeständen und weniger Transporten von Mehrwegverpackungen, was wiederum Kosten reduziert und sich positiv auf die Skalierung von Mehrwegsystemen auswirkt.

Standardisierte Produkte und Prozesse können dadurch zu einer Reduktion von Verpackungsabfällen und einer Verringerung der Umweltbelastung beitragen. Eine höhere Effizienz von Logistiksystemen führt zu einer höheren Umlaufgeschwindigkeit von Mehrwegbehältern. Obwohl jede einzelne Mehrwegverpackung mehr Material und Energie bei der Produktion benötigt als eine Einwegverpackung, können Mehrwegsysteme so zu einer erheblichen Verringerung des Gesamtmaterialverbrauchs führen, wenn die Verpackungen oft genug wiederverwendet werden.

Fazit

Die Entwicklung von Mehrwegverpackungssystemen ist ein entscheidender Schritt in Richtung nachhaltigeren Konsum- und Produktionsweisen. Damit Mehrweg allerdings wettbewerbsfähig werden kann, muss eine hinreichende Skalierung für den Aufbau einer nachhaltigen Mehrweginfrastruktur vorangetrieben werden. Es wird eine enge Zusammenarbeit verschiedener Akteure entlang der Lieferkette benötigt, um einheitliche Standards zu entwickeln. Trotz dieser Herausforderungen bieten die Umwelt- und Wirtschaftsvorteile einen starken Anreiz zur Weiterentwicklung und Integration von Mehrwegverpackungen in unsere Wirtschaftskreisläufe, welche nicht nur zur Abfallreduzierung beitragen, sondern auch langfristig die Lebensqualität auf unserem Planeten verbessern.