Schifffahrt: „Digitalisierung ist ein Must-have“

Mikael Lind, Senior Research Advisor am RISE (Research Institutes of Sweden) und außerordentlicher Professor für Maritime Informatik an der Chalmers University of Technology im schwedischen Göteborg, wird am 27. Oktober auf dem KLU-Symposium „Transitions: Readiness and Challenges in the Shipping Industry“ in einem Panel über Chancen und Grenzen der Digitalisierung in der Schifffahrt diskutieren. Was erwartet die Gäste?

Gordon Wilmsmeier, Direktor des Hapag-Lloyd Center for Shipping and Global Logistics (CSGL) an der KLU, hat vorab mit Lind gesprochen.

Zum vollständigen Programm (in Englisch). Hier für Empfang und Symposium registrieren (öffentlich und kostenfrei).

Was sind die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung in der Schifffahrt?

Mikael Lind: Die Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung im maritimen Sektor in den letzten zehn Jahren Einzug gehalten hat, ist hoch. Die technischen Komponenten dafür sind alle längst vorhanden, aber die Digitalisierung zwingt die Menschen zu neuen Verhaltensweisen. Das heißt, wir müssen uns mit einem völlig neuen Mindset in der Zusammenarbeit beschäftigen.

    Wo liegen die größten Möglichkeiten im Datenaustausch – und wo die Grenzen?

    Lind: Die Schifffahrt ist eine globale Industrie, sodass Digitalisierung Menschen unabhängig von der physischen Distanz näher zusammenbringt. Großes Potenzial besteht beispielsweise in der Zusammenarbeit zwischen dem asiatischen und europäischen Raum hinsichtlich der Kommunikation über voraussichtliche Ankunftszeiten von Gütern. Auf der anderen Seite erkennen wir auch klare Grenzen: Viele Beteiligte wollen nicht alle Daten teilen. Das Ziel sollte mit Blick auf eine gute Performance des gesamten Systems allerdings darin bestehen, ein Minimum an Schlüsseldaten zu teilen.

    Können Sie dieses Minimum definieren?

    Lind: Im Teilen von Zeitstempeln bei Ankunft und Abfahrt entlang der Supply Chain liegt das größte Potenzial, falls sich die Branche darauf einigen kann. Es geht hier explizit nicht um den Transportinhalt. Dass einige Unternehmen die Daten lieber für sich behalten wollen, bremst die gesamte Branche. Und mehr noch, diese Zurückhaltung kann zum Sicherheitsrisiko für die Unternehmen werden kann, die zum Teilen der Daten bereit sind. Innerhalb einer definierten Community wäre ein Teilen von Zeit- und Ortsdaten meiner Meinung nach zielführend – allerdings bewusst nicht in der breiten Öffentlichkeit.

    Inwiefern kann Digitalisierung die Schifffahrt nachhaltiger machen?

    Lind: Die Schifffahrt organisiert sich aktuell selbst, es gibt keine Handlungsvorgaben für die einzelnen Akteure. Die physische Präsenz spielt im maritimen Transportwesen noch eine sehr große Rolle – etwa bei der Anmeldung am Hafen. Digitalisierung kann hier helfen, andere Player entlang der Kette über die Pläne und den Status quo zu informieren. So kann die Auslastung der Infrastruktur viel besser geplant und die Zusammenarbeit zwischen den Häfen optimiert werden. Zudem ergibt sich eine völlig neue Perspektive mit einem virtuellen „Planungsregime“, in dem man im Voraus Legeplätze buchen kann. Mit so einer Terminökonomie kann man sich um Slots bewerben oder sie sogar handeln. Digitalisierung kann also auch einen Marktplatz für Slot-Management schaffen – und als Marktplatz für Kraftstoff. Digitalisierung ist folglich ein Must-have, eine Voraussetzung, um die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Ohne Digitalisierung keine Nachhaltigkeit in der Schifffahrt!

    Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lind!

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